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Der verschwundene Jahrgang

Es fing alles im Jahr 2017 an. 

Nicht mehr ganz so unschuldige Schüler ohne Zukunftsperspektive, hatten sich zufällig alle an der gleichen Schule angemeldet. Für das Abitur, die schulische Ausbildung, sowie das Fachabitur. Manche waren sogar schon einen Jahr länger an der Schule als die anderen; Ehrenrunden dreht doch bekanntlich jeder gerne. 

Es kam sogar vor, dass einige Schüler schon mittendrin verschwanden und nie wieder auftauchten, was für ein Pech aber auch.

Die Klassengemeinschaften hatten sich fest etabliert, es wurde für Mitschüler eingestanden, gelogen und weiter dem Abschluss entgegen gezogen. Wie es sich für uns nun mal gehört.

Doch wie kam es, dass ein ganzer Jahrgang so unbemerkt verschwinden konnte?

Man kann so weit zurück gehen, wie man mag; die Antwort lässt sich nicht finden, da könnte man auch Sherlock Holmes und Dr. Watson persönlich herbeordern. 

Die Pandemie betraf jeden, ob man wollte oder nicht. Es fragt auch keiner danach ob man einverstanden ist. Es passiert alles Schlag auf Schlag und man muss dafür bereit sein, da spielt es keine Rolle, was man selbst davon hält.

Man kann selbst sich nur nach den täglich neu gegebenen Regeln richten und akzeptiert sie ohne wenn und aber.  

Auch wir Schüler mussten das tun. 

Für die Schüler der 11. Klassen war alles neu, aufregend und unwirklich. 

Nicht mal das erste Jahr fertig, schon scheint es gestrichen und nicht wirklich vollendet. 

Home Schooling stand an, Hausaufgaben per Mail oder mit vergleichbaren Online Möglichkeiten. 

Die 12. Klasse traf es noch etwas schlechter. Kaum aus dem Praktikum zurück, keine richtige Woche Unterricht gehabt, schon schließt die Schule. 

Was jetzt? 

Tausende Gedanken um das nächste Jahr, den ganzen Stoff, der sie auf die Prüfungen im letzten Jahr vorbereiten sollte, wartet nun blinkend im E-Mail Postfach.

Als die Lage sich „besserte“, wurden die fest etablierten Klassen aufgeteilt in jeweils zwei Gruppen und der Unterricht fand so gut es ging statt. Aber nicht an allen Tagen. Da kommt man mal nur für drei Blöcke mit zu viel Freiblöcken dazwischen in die Schule, so ein Mist!

Und die 13. Klassen? Fragt gar nicht erst. 

Es wurde uns schon seit Klasse 11 immer wieder gesagt, wie kurz das letzte Jahr sei, dass es ja nur aus Prüfungen bestehen würde. Man soll schon früh genug anfangen zu lernen, bloß nicht fehlen, um ja nichts zu verpassen, die letzte Zeit genießen, sich um die Abschlussfeier kümmern, das Geld dafür zusammenbekommen, den ganzen Lernstoff der gesamten drei Jahre zusammentrage-

Moment. Pandemie. Ach ja, da war ja was.

Schule zu. 

Die letzte Probeklausur hat sich in Luft aufgelöst, man hat nicht gewusst, dass der letzte Unterricht, der letzte gemeinsame Unterricht war. Letzte Aufgaben kamen ins E-Mail Postfach hereinspaziert, manchmal mit Lernstoff für die Prüfungen im Schlepptau. 

Prüfungen? Ohne Unterricht? 

Manche, wie ich, haben das Schulleben an sich vorbeiziehen sehen, schon sich dazu bereit erklärt, der Mathelehrerin in einer E-Mail verzweifelt um Hilfe zu bitten. 

Nach endlosen Pressekonferenzen seitens der Bundeskanzlerin, was denn nun mit der Schule, dem Unterricht und den Prüfungen sei, kam es zu dem Entschluss, dass für die 13. Klassen kein Unterricht mehr stattfinden sollte. Die betroffenen Schüler sollten nur noch zu den Prüfungen kommen, ansonsten gar nicht mehr. 

Also hieß es: Zur Schule hin – Mit Abstand – Prüfung schreiben – Abliefern – wieder gehen.

Kein Unterricht, keine letzte gemeinsame Zeit, keine Abschlussfeier, keine Mottowoche, das gesammelte Geld geschenkt, ein ganzer Jahrgang, der sich langsam, aber sicher, auflöste. 

Klassengemeinschaften gab es nicht mehr, jeder Schüler arbeitete nur noch für sich selbst, für seinen eigenen Abschluss. Eine Abschlussfeier fand ja nicht mehr statt und auch eine Zeugnisvergabe erschien fragwürdig. 

Die Lehrer, die die Schüler drei Jahre (oder länger…;) unterrichtet haben, durften nicht anwesend sein, auch keine Begleitungen seitens der Schüler. Die Stühle standen alle mit Abstand zueinander. Die Zeugnisse wurden vom Klassenlehrer ausgeteilt, die Rede des Abteilungsleiters im Mittelpunkt. 

Nach einer halben Stunde war es schon vorbei. 

Der Corona Jahrgang war durch. 

Der ganze Jahrgang verschwand. 

Einfach so.

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